Die Lunge
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Ambulanztagebuch
 

 

Datum: Montag, 20:00

 


 

Kalt heute. Auf den Armen spüren Sie eine Gänsehaut. Es schüttelt Sie kurz.

Vorhin waren Sie noch etwas bei Herrn S. am Bett gewesen. Sehr viel reden konnte er ja nicht mehr mit seiner Atemnot. Aber er schien wieder ein bischen aus der Demenz erwacht. Ob er die Nacht überlebt?

Der 50-jährige Patient, von Beruf Exportkaufmann, war vor 3 Wochen vom Hausarzt wegen zunehmender Luftnot eingewiesen worden.

Es gab bereits ein ambulat angefertigtes Thoraxbild, in dem eine interstitielle Zeichnungsvermehrung zu erkennen war. Bei einer ebenfalls ambulant durchgeführten Bronchoskopie waren ein kleiner Tumor an der Trachealwand sowie ausgedehnte exophytische Veränderungen des rechten Stammbronchus zu sehen die zytologisch einem Plattenepithelkarzinom entsprachen. Im weiteren Verlauf vor der stationären Aufnahme hatte der Patient über Doppelbilder geklagt.

Vor 11 Jahren hatte der Patient einen Schlaganfall mit Hemiparese rechts erlitten. Er erholte sich davon ohne jede Residuen. Seit 4 Jahren klagt er über eine Neurodermitis.

Herr S. ist seit 25 Jahren verheiratet.

Bei der Aufnahme war der Patient in einem mäßigen AZ und vermindertem EZ, voll orientiert. Am Nacken zeigte sich die bekannte Neurodermitis. Es bestand eine Ruhedyspnoe, aber keine Zyanose und keine Ödeme. Lymphome waren nicht palpabel. Über der Lunge war leises Vesiculäratmen und vereinzeltes Knisterrasseln bds. auskultierbar. Im weichen Abdomen konnten keine Resistenzen palpiert werden. Neurologisch bestand eine Abduzensparese rechts, eine zentrale Trigeminusläsion und eine leichte brachiofaziale Hemiparese rechts. Der Patient hatte Wortfindungsstörungen. Er klagte über ein Schweregefühl des linken Armes im Armhalteversuch, was als Hinweis auf eine Hirnstammläsion linksseitig gewertet wurde.

Die BSG war leicht erhöht. Das Blutbild und die Emzymdiagnostik waren unauffällig.

Im Rö.-Thorax in 2 Eb. bestand eine interstitielle und feinoduläre Zeichnungsvermehrung bds., rechts betont im Unter- und Mittellappen. Das Thorax-CT mit intravenösem KM zeigte einen 1 cm großen endoluminal wachsenden Tumor im rechten Hauptbronchus kurz unterhalb der Karina. Es fanden sich ausgedehnte mediastinale hiläre und subkarinale Lymphome. In der Lingula stellte sich ein Rundherd dar. Es bestand eine vermehrte interstitielle Zeichnung.

Das MRT des Kopfes zeigte eine fleckige Markläsion frontal und fronto-parietal bds. subkortical in den Rindenmarkgrenzen. In den Stammgangregionen bds. fanden sich kleine lakunäre Infarkte.

In der Lungenfunktionsanalyse wurde eine leichte restriktierte Ventilationsstörung festgestellt. Die Blutgasanalyse ergab eine respiratorische Partialinsuffizienz. Im EEG bestand ein Alphatyp mit grenzwertig bis leicht verlangsamter Grundaktivität. Frontotemporal linksseitige lag eine Funktionsstörung mit streckenweiser Ausbreitung zur Gegenseite vor. Die Inspektion der Haut ergab einen Herpes zoster des 1. Trigeminusastes links.

Im stationären Verlauf wurde das Plattenepithel im rechten Hauptbronchus endoskopisch mit Laser erfogreich therapiert. Die bronchoalveoläre Lavage, bei der eine ausgeprägte lymphozytäre Alveolitis festgestellt worden war, brachte keinen Hinweis auf Pneumocistis-Carinii-Erregern.

Die Behandlung erfolgte hochdosiert mit Cortison. Im weiteren Verlauf kam es jedoch zu deutlicher Zunahme der pulmologischen Symptomatik mit röntgenologisch zunehmender interstitieller Zeichnungsvermehrung. Der Patient hatte intermittierende Fieberschübe. Der Herpes zoster bildete sich unter intravenöser Therapie mit Zovirax zurück.

Klinisch stand der dementielle Abbau im Vordergrund.

Ab und zu konnte ich noch mit ihm reden, immer seltener, so wie vorhin.

Er war beruflich immer viel in Thailand gewesen. Seit 11 Jahren weis er, daß er HIV-positiv ist.

Und sein Hausarzt? -Nein.

Seine Frau? -Nein

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Hier können Sie über den radiologischen Aspekt der Geschichte nachlesen.

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10.4.01